Das Thema Bildung gewinnt seit Jahren kontinuierlich an Bedeutung. Die schulischen Leistungsanforderungen steigen, ebenso wächst der Bildungsanspruch der Eltern an ihre Kinder. Nicht nur die Verkürzung der Gymnasialzeit macht jugendlichen Schülern zu schaffen, Druck und Stress prägen bereits den Schulalltag vieler Grundschüler. Parallel hierzu steigt die Zahl an überforderten Kindern: Immer mehr Kinder haben Schwierigkeiten beim Lernen, die alltäglichen schulischen Anforderungen wie Lesen, Schreiben, Rechnen stellen nicht wenige von ihnen vor scheinbar unüberwindbare Probleme.

Diese Phänomene beobachtet auch Diplom-Pädagogin Esther Borggrefe seit Jahren in ihrem Institut für Lernförderung und Kommunikation (ILK). In einem Interview beantwortete sie Fragen zu dem umfassenden Thema Lernen.

Frau Borggrefe, warum ist es an der Zeit, dass Kinder das Lernen lernen?

Kinder sind von Natur aus neugierig und lernwillig. In der Kleinkind- und Kindergartenzeit ist die Neugier noch Ausgangspunkt allen Lernens. Kinder lernen spielerisch, sie wenden sich ausdauernd und motiviert selbst gewählten Interessengebieten zu. Doch bereits in der Grundschule steigen die Anforderungen an Kinder, sie geraten vor allem bei Schwierigkeiten mit den Schlüsselqualifikationen Lesen, Schreiben und Rechnen unter großen Leistungsdruck. Dabei ist zumeist nicht mangelnde Intelligenz die Ursache für schlechte Schulleistungen, vielmehr fehlen den Schulkindern häufig adäquate Lerntechniken.

Bis zur Versetzung im Sommer boomt der Nachhilfemarkt. Sie werben damit, dass Ihr Lerntraining eine sinnvolle Alternative zur einfachen Nachhilfe darstellt. Inwiefern?

Viele Eltern denken, dass ihr Kind einfach nur faul ist und dass man im wahrsten Sinne des Wortes dem schulischen Erfolg bloß ein bisschen „nachhelfen“ müsse. Zunächst wird häufig das Pensum an häuslichem Lernen erhöht. Wenn das nicht hilft, wird ein Nachhilfelehrer engagiert. Viele Kinder und Jugendliche, die zu mir kommen, haben schon zahlreiche Nachhilfelehrer in ihrer schulischen Laufbahn kennen gelernt. Meist war der Erfolg jedoch von kurzer Dauer, teilweise blieb er auch ganz aus. Manche von ihnen galten gar als „hoffnungslose Fälle“. Im Gegensatz zur klassischen Nachhilfe, in der zumeist nur Faktenwissen vermittelt wird, lernen meine Schüler, wie man das Lernen richtig lernt.

Nennen Sie uns hierfür bitte ein Beispiel!

Grundlage der Lerntechniken, die ich vermittele, ist das „sinnvolle“ Lernen. Das bedeutet nicht nur, dass man am besten unter Einbeziehung aller Sinne lernt, sondern auch, dass das Lernen nachhaltig sein muss. Kurzfristiges Pauken ist weder besonders sinnvoll, noch hilft es Schülern, Wissen dauerhaft zu erwerben. Lernen braucht Verfestigung. Daher bringe ich den Kindern das Lernen in so genannten Wiederholungsschleifen bei. Dies hat nichts mit langweiliger, stupider Büffelei zu tun, vielmehr werden Schüler motiviert, auch Routine-Aufgaben mit Spaß und vor allem selbstständig zu bewältigen. Bei komplexeren Aufgaben erarbeite ich mit meinen Schülern Herangehensweisen an schwierige Inhalte. Ziel ist es, dass sie eigenständig Problemlösekompetenzen entwickeln. Auch hierfür gibt es geeignete Techniken. Richtig lernen bedeutet in erster Linie, Wissen eigenständig erwerben zu können.

Dass man mit Spaß besser lernt als ohne Spaß klingt zunächst wie eine banale Erkenntnis …

Sie ist aber umso zutreffender! Viele Kinder stehen unter einem enormen Druck seitens der Schule und häufig auch aufgrund überzogener Leistungserwartungen der Eltern. Schulstress und Schulangst gehören immer öfter zum Schulalltag. Doch Angst ist ein schlechter Lernbegleiter, sie hemmt das Potenzial, das in den Kindern steckt. Positive Gefühle hingegen fördern nicht nur die Lernbereitschaft, sondern auch die Motivation sich schwierigen Aufgaben zu stellen. Ein wesentlicher Teil meiner Trainings ist daher auch die wirkungsvolle „Methode der mentalen Aktivierung“ (MAT). Es ist wissenschaftlich erwiesen und von mir in der Praxis erprobt, dass hierdurch Lernschwierigkeiten wirksam vorgebeugt bzw. abgebaut werden. So wird die Grundlage für Freude und Erfolg beim Lernen geschaffen.

Was können Eltern tun, wenn ihre Kinder unter Schulproblemen leiden?

Ich gehe davon aus, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen. Doch oft üben sie einen zumeist unausgesprochenen Druck auf ihre Kinder aus. Wenn bereits in der Kindergartenzeit die Schule mit dem „Ernst des Lebens“ gleichgesetzt wird, ist dies keine besonders geeignete Einstimmung auf die Schulzeit. „Das Beste“ ist später auch nicht per se das Abitur. Wenn sich zuhause alles nur noch um die Schule dreht, Tränen, Streit und Wutausbrüche das Familienleben bestimmen, ist es für Eltern höchste Zeit, aktiv zu werden. Bei Schul- und Lernproblemen stellt eine fundierte Diagnostik, mit deren Hilfe nach den zumeist vielfältigen Ursachen geforscht wird, aber vor allem Stärken und Schwächen von Schulkindern analysiert werden,  die Grundlage für effektive und auf die individuellen Probleme „maßgeschneiderten“ Trainings dar.

Lernschwierigkeiten erfolgreich überwinden

Schulkinder sind einem steigenden Leistungsdruck ausgesetzt, ihr Arbeitspensum ähnelt mitunter dem erwachsener Arbeitnehmer. Viele Schüler geraten dabei an ihre Leistungsgrenzen und leben in einem Zustand ständiger Überforderung. Konzentrationsprobleme, Aufmerksamkeitsdefizite, Hyperaktivität, Aggressivität sind schließlich nur einige Stichworte, die im Zusammenhang mit Schulkindern in den letzten Jahren nahezu inflationär benutzt werden. Ist eine ganze Schülergeneration „krank“?! Diplom-Pädagogin Esther Borggrefe, Leiterin des Instituts für Lernförderung und Kommunikation (ILK) in Sankt Augustin, nimmt zu diesem Phänomen und zu weiteren Fragen rund um das Thema Lernen in dem folgenden Interview Stellung.

Frau Borggrefe, handelt es sich bei dieser Darstellung um bloßen Alarmismus oder ist die Situation der Schulkinder tatsächlich so ernst, wie es die o. g.  Schlagworte suggerieren?

„Fakt ist, dass die Zahl an zappeligen, unaufmerksamen, nervösen und vielfach auch aggressiven Kindern in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Die Ursachen hierfür sind sehr vielfältig und können an dieser Stelle nicht ausreichend erörtert werden. Bemerkenswert ist, dass parallel zu den aufgezählten Verhaltensauffälligkeiten auch immer mehr Kinder unter Lernschwierigkeiten bzw. Leistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie leiden. Schlechte Schulleistungen sind schließlich das Ergebnis.“

Das klingt nach einem Teufelskreis. Wie können Eltern ihren Kindern helfen?

„Die wiederholte Erfahrung von Misserfolgen, z. B.  in Form von schlechten Noten, führt dazu, dass sich manche Schüler bereits sehr früh als Versager fühlen. Sie leiden unter fehlender Motivation und mangelndem Selbstbewusstsein. In einer solchen Situation ist es von großer Bedeutung, dass Eltern den Schwierigkeiten ihrer Kinder auf den Grund gehen. Wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Kind über einen längeren Zeitraum Probleme beim Schreiben, Lesen oder Rechnen sowie beim selbstständigen Anfertigen der Hausaufgaben hat und anhaltende Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme bemerkt werden, ist eine fachlich fundierte pädagogische Diagnostik der erste Schritt, um Kindern zu helfen. Bloße Nachhilfe ist keine dauerhafte Alternative bei grundlegenden Lernschwierigkeiten und gravierenden Leistungsrückständen. Ziel der individuellen Trainings und Förderprogramme meines Instituts ist es, mittels spezieller Lern- und Arbeitstechniken eine größtmögliche Eigenständigkeit beim Lernen zu erlangen. Hieraus resultieren Selbstvertrauen, Sicherheit und schließlich auch Erfolgserlebnisse. Doch auch Erfolg ist individuell. Nicht jedes Kind ist ein „Einserkandidat“ – es zählt immer die individuelle Leistung vor dem Hintergrund der individuellen Stärken und Schwächen.“

Sie betonen die überragende Bedeutung der Eigenständigkeit: Sollen Eltern ihren Kindern zuhause überhaupt helfen?

„Auf jeden Fall! Es geht aber nicht darum, dass sie bei den Hausaufgaben ständig neben ihren Kindern sitzen. Viel wichtiger ist es, den Kindern zuhause ein optimales Lernumfeld zu schaffen. Die geeignete Gestaltung des Lernortes, die Beachtung von Pausenzeiten, die sinnvolle Gestaltung dieser Pausen – z. B. durch Bewegung oder Musik – sowie eine ausgewogene Ernährung sind nur einige Möglichkeiten, mit denen Eltern ihren Kindern das Lernen erleichtern können. Auch bei Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen können Eltern konkrete Hilfestellungen leisten, beispielsweise durch gezieltes Gehirnfitnesstraining. Wichtig ist aber vor allem, dass sie keinen zusätzlichen Druck oder übertriebene Kontrolle ausüben.“

Bei anhaltenden Schulproblemen sind nicht nur Kinder, sondern oft auch deren Eltern überfordert. Was empfehlen Sie in diesem Fall?

„Schulschwierigkeiten werden tatsächlich auch häufig für Eltern zu einer emotionalen Dauerbelastung. Daher biete ich in meinem Institut zusätzlich spezielle Entspannungskurse für Eltern und Schüler an. Autogenes Training zur Stressbewältigung zählt dabei zu den Klassikern, doch auch die Entspannungstechnik der progressiven Muskelrelaxation ist äußerst wirkungsvoll. Sie basiert auf dem Prinzip der muskulären Anspannung bzw. Entspannung. Hierdurch wird die Durchblutung angeregt, die Atmung wird verbessert. Dieses Verfahren führt zu emotionaler Entspannung und gleichzeitig zu einer Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit. Geistiges Wohlbefinden, Ausgeglichenheit und das Gefühl, seine eigenen Kräfte mobilisieren zu können, um die täglichen Anforderungen besser zu meistern – all dies sind altersunabhängige Wünsche.“